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Us - Eine Interpretation

Dieser Post ist eine Interpretation des Films Us von Jordan Peele. Wenn ihr den Film noch nicht gesehen habt, empfehle ich euch diesen Text nicht zu lesen.




„Darum werde ich, der HERR, Unheil über sie bringen, dem sie nicht entrinnen können. Und wenn sie zu mir um Hilfe schreien, höre ich nicht darauf.“

Das sind die Worte des Bibelverses Jeremia 11:11, welcher im Film Us von Jordan Peele eine zentrale Bedeutung hat.

Genau das, was Gott in diesem Vers ankündigt, passiert in diesem Film. Die Tethered, eine Armee von Doppelgängern, kommen aus den Kanalisationen und beginnen Leute umzubringen, bevor sie sich in einer Reihe aufstellen und sich an den Händen halten.

Um den Plan der Tethered zu verstehen, muss man einen Blick auf das Motiv des American Dream werfen. Laut diesem kann jeder, wenn er sich nur genug anstrengt, erfolgreich sein und in der Gesellschaft aufsteigen. Die Wilsons haben das anscheinend geschafft. Sie scheinen einigermaßen wohlhabend zu sein, wie der Besitz eines Sommerhauses an der kalifornischen Küste und der eher nebenher getätigte Kauf eines Bootes bezeugen. Allerdings ist der American Dream aus heutiger  Sicht gescheitert und nicht jeder hat die gleichen Chancen zum Aufstieg hat aufgrund von schlechten Ausgangsbedingungen, wie Bildung, weniger sozialem Kapital, oder auch nur der Ethnie. Die Verkörperung dessen sind die Tethered. Sie sind eingesperrt in den Tunneln, verdammt dazu ihr Leben dort zu fristen, ohne jede Möglichkeit des Aufstiegs.

Dieser Unterschied wird auch deutlich in einigen der Namen der Wilsons und ihrer Klone.
Der Vater heißt Gabe. Vermutlich ist das eine Kurzform von Gabriel. Somit ist er nach dem meist heldenhaft dargestellten Erzengel benannt. Sein Doppelgänger hingegen ist nach der biblischen Figur Abraham benannt, welcher von Gott immer wieder geprüft wird und letztlich sogar den Befehl erhält seinen eigenen Sohn zu opfern. Jason, der Sohn, dürfte wohl nach Iason, dem Anführer der Argonauten benannt sein, eine Heldenfigur der griechischen Antike. Sein Klon hingegen ist nach Pluto bzw. Hades benannt, dem ungeliebten Unterweltsgott der Antike. Am deutlichsten wird der Namensunterschied aber bei der Tochter. Sie heißt Zora. Ein Name, der sich aus dem altslawischen Zorya entwickelte, was so viel wie Morgendämmerung oder Morgenröte heißt. Ihre Doppelgängerin heißt dagegen Umbrae, was von umbra kommt, dem lateinischen Wort für Schatten.

Der Plan der Tethered ist es, Hands across America nachzustellen. Am 25. Mai 1986 formten 6,5 Millionen Amerikaner_innen eine Menschenkette quer durch die USA. Ziel der Aktion war es Geld zu sammeln, welches dann an gemeinnützige Organisationen gespendet wurde mit dem Ziel der Bekämpfung von Hunger und Obdachlosigkeit und auch den öffentlichen Fokus auf diesen Missstand zu lenken. Diese Organisationen halfen also denen, denen der Staat nicht mehr half. Und genau diese Bevölkerungsgruppe, jene, die sich im Stich gelassen fühlten, repräsentieren die Tethered. Sie wurden von der US-Amerikanischen Regierung geschaffen und in dem Moment, in dem sie nicht mehrbenötigt wurden, aufgegeben.

Dass diese Menschen immer noch Einwohner ihres Land sind, macht der Film relativ zu Beginn des Konflikts deutlich. Als Gabe die Eindringlinge fragt, „Who are you people?“, ist Reds Antwort so simpel wie richtig: „We’re Americans!“

Endgültiges Ziel des Plans der Tethered scheint es also, auf sich aufmerksam zu machen und der Hölle, in der sie ihr ganzes Leben verbracht haben, zu entkommen. Das Töten ihrer Doppelgänger scheint für mich dabei nicht das Ziel zu sein, sondern mehr das Ergebnis eines, sich über Jahre angestauten Hasses zu sein, auf jene die es so viel besser haben als sie.

Ein weiteres Symbol in Us, welches aber weniger subtil ist als die anderen, ist der Fakt, dass die Waffen der Tethered goldene Scheren sind. Diese sind wohl eine Metapher auf die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich.

Us ist ein guter Horrorfilm, der sich nicht auf Jumpscares verlässt, sondern eher auf eine beklemmende Stimmung setzt. Wie schon Jordan Peeles Erstlingswerk Get Out, bietet auch Us einen sozialen Kommentar.

Im Gegensatz zu Get Out ist Us aber weniger offensichtlich mit dieser Botschaft, sondern entscheidet sich dazu, eher etwas kryptischer zu bleiben und dem Publikum zu überlassen, die Bedeutung für sich zu erschließen.

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