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Carnival Row - Review

 


"For ages, the homeland of the Fae was a place of myth and legend. Until the many empires of man arrived and warred for control of its riches. Seven years ago, this great war ended, when the Republic of the Burgue withdrew, abandoning the Fae to the iron fist of their rivals, The Pact. Now the Fae's homeland the hell from which they yearn to escape..."

Mit diesen Sätzen als einziger Information, entlässt uns Carnival Row in seine Welt. Die Fae sind nur einige von vielen Spezies, die vom Krieg aus ihrer Heimat vertrieben werden. Vor dem Krieg suchen sie Zuflucht im viktorianischen Stadtstaat Burgue. Dort werden sie jedoch alles andere als freundlich empfangen. Viele von ihnen bezahlen für ihre Flucht dorthin mit einem Vertrag, der sie zu Jahren unbezahlter Arbeit verpflichtet. Und selbst danach stehen sie einer Wand von Rassismus gegenüber, werden als "critch" beschimpft und in den Stadtteil Carnival Row verbannt. In diese Welt gerät Vignette Stonemoss (Cara Delevingne) als sie in der Burgue ankommt. Gleichzeitig ermittelt Inspector Rycroft Philostrate (Orlando Bloom) nachdem mehrere Fae von einem Unbekannten angegriffen wurden. Dies wird von seinen Kollegen, denen die Fae egal sind, nicht so gern gesehen. Als eine neue, brutale Mordserie beginnt, fängt die Spannung in der Burgue an zu eskalieren.
Die Handlung von Carnival Row könnte stärker sein, jedoch fügt sie sich gut in die Welt ein, auch wenn sie teils etwas vorhersehbar ist.
Womit Carnival Row jedoch auf jeden Fall punkten kann, ist das World Building, das ich in dieser Qualität so zuletzt in Game of Thrones und The Expanse erlebt habe. Hier gebührt den Showrunnern Travis Beacham und René Echevarria definitiv Respekt. Und glücklicherweise verkauft Carnival sein Publikum dabei nicht für dumm. Wie oft werden in Filmen oder Serien Details, die den Charakteren klar sein sollten genannt, nur zur Information des Publikums. Carnival Row begeht diesen Fehler nicht. Viele Einzelheiten werden nicht extra erklärt. So entfährt beispielsweise einem Polizisten beim Anblick einer übel zugerichteten Leiche der Ausruf "By the martyr!" Dass der genannte Märtyrer ein Art Gottheit ist scheint logisch, jedoch wird uns die Bedeutung dieser Worte nicht erklärt, da sie für die Bewohner*innen der Burgue eine Alttäglichkeit sind und auch uns erschließen sie sich irgendwann aus dem Kontext. Dieser Umstand trägt erheblich dazu bei, dass wir in die Welt eintauchen können.
Orlando Bloom liefert wie gewohnt eine starke Leistung ab und auch die schauspielerischen Fähigkeiten von Cara Delevingne haben sich seit Suicide Squad und Valerian noch einmal verbessert. Auch einige der Nebenrollen sind prominent besetzt, wie Jared Harris, dessen Schauspiel wir vor kutzem noch in Chernobyl bewundern konnten, als Kanzler der Burgue.
Auf jeden Fall eine Empfehlung, insbesondere wenn ihr Fantasy und/oder Steampunk mögt.


Ab hier eine ausführlichere Analyse einiger Punkte, die jedoch Spoiler enthält:
Besonders an Carnival Row war für mich, dass keine der Figuren (vielleicht mit Ausnahme von Philo) ein typischer "White Knight" ist, sondern sie alle mit Traumata oder anderen Problemen zu kämpfen haben und dementsprechen schlechte Entscheidungen treffen. Philo ist ein anständiger Mann, der jedoch schon sein ganzes Leben damit zu kämpfen hat, Teil seiner Identität verstecken zu müssen. Aufgrund seines Fae-Erbes hat er schon immer mehr Sympathie für die Nicht-Menschen in der Burgue, als seine Kollegen. Für lange Zeit hat er jedoch Schwierigkeiten damit sich mit seiner Herkunft zu arrangieren. Erst zu Ende der ersten Staffel gesteht er sich sein, dass seine Loyalität doch mehr bei den Bewohner*innen der Carnival Row liegt, als bei der Polizei. Vignette leidet unter dem Verlust ihrer Heimat und wie Philo sie in Anoun zurückließ und tut sich deswegen sehr schwer ihren Platz ihrer neuen Welt zu finden. Insbesondere bei den als sie als Bedienstete bei den Spurnroses arbeiten muss ist sie sehr unglücklich. Erst als sie sich den Black Raven anschließt scheint sie anzukommen.
Auch die der Blick auf die Handlung um die Spurnroses und Mr. Agreus ist interessant. Ezra Spurnrose wurde, durch den vorzeitigen Tod seines Vaters, recht jung in die Rolle des Familienoberhauptes und damit auch des Geschäftsführers geworfen, ohne jegliches finazielles Geschick gelehrt bekommen zu haben. Seine eigene Unsicherheit maskiert er durch sein schein selbstbewusstes Auftreten und sein Festklammern an alten Werten. Dazu gehört unter anderem, dass Frauen den Männern untergeordnet sind. Diese vordergründige Sicherheit, die er sich so aufgebaut hat, fällt durch die Nähe seiner Schwester Imogen zum neuen Nachbarn Mr. Agr
eus, einem Faun, wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Imogen, eine intelligente junge Frau, war ihr Leben lang eingeengt von den alten Werten bezüglich der Rolle von Frauen (und Nicht-Menschen) entwächst dieser Einengung durch die, zunächst erzwungene, später dann gewollte Nähe zu Mr. Agreus allmählich. Der so stattfindende Abbau jahrhundertealter Granzen bedeutet für Ezra den Verlust seiner so mühsam aufgebauten Identität, für Imogen jedoch eine Befreiung von den Zwängen des bürgerlichen Lebens und der konstanten Sorge, was die Gesellschaft von ihr denkt.
Auch Mr. Agreus ist nicht ohne Fehler. Als ursprünglicher Flüchtling vor Armut und Krieg, hat er es mittlerweile zu beträchtlichem Wohlstand gebracht und steht so zwischen zwei Welten. Auf der einen Seite seine Spezies, die Fauns, von denen die Mehrheit in bitterer Armut lebt, denen sich Agreus aber aufgrund des Klassenunterschieds nicht mehr verbungen fühlt und auf der anderen Seite das reiche Bürgertum, die ihn aufgrung seiner Spezies nicht akzeptieren. Somit stehen sich in Agreus zwei widersprüchliche Haltungen gegenüber. Agreus, der das neoliberale Ideal "Vom Tellerwäscher zum Millionär" verkörpert, ist das Schicksal anderer Personen seiner Spezies egal, da er sich ihnen durch seinen erarbeiteten Reichtum überlegen fühlt und der Meinung ist, dass diese an ihrer Armut selbst Schuld seien. Somit fällt diese Gruppe für seine soziale Zugehörigkeit weg. Da er aber natürlich trotzdem dazugehören will, bleibt nur das reiche Bürgertum übrig. Diese verachtet er aber genauso, da sie ihn aufgrund seiner Herkunft nicht respektieren. So schafft ist er sozial isoliert. Imogen ist die einzige, die zu ihm durchdringt und ihn für seine Herkunft nicht verachtet. Trotzdem verhält er sich ihr gegenüber oft toxisch, was sich auch nicht wirklich ändert. Hoffentlich bekommt er in der zweiten Staffel noch eine nennenswerte Charakterentwicklung.
Bezüglich des der Serie zugrundeliegenden Themas der Flucht, spiegelt Carnival Row unsere Welt wider. Militärische Großmächte besetzen aus der Gier nach neuen Ressourcen fremde Länder und führen dort im Zweifelsfall Krieg wenn ihnen ihr Territorium streitig gemacht wird. Durch diesen Krieg bzw. die Besatzung und die Armut und Not die daraus entstehen, fliehen die Einwohner*innen der besetzten Länder in die besetzenden Staaten um dort sichere Zuflucht zu finden. Dort werden sie nicht freundlich empfangen, sondern abgelehnt. Das ist das kleine Einmaleins des Kolonialismus. Somit kann die Situation in der Burgue als Metapher für die aktuelle Stimmung in Europa und den Vereinigten Staaten verstanden werden. In beiden suchen Flüchtlinge Asyl, deren Fluchtgrund meist Situationen sind, die im Kolonialismus/Imperialismus gründen. Wie jetzt gerade auf dem Mittelmeer, werden in Carnival Row die Fae von Schleppern von Anoun in die Burgue gebracht, die sich daran eine goldene Nase verdienen. Wenn die Geflüchteten dann in der Burgue ankommen (wenn dies überhaupt geschieht, da viele der Schlepperschiffe sinken), sind ihre Probleme nicht vorbei.
Carnival Row, das mich mit seiner Welt sowieso schon gefangen hatte, begeistert mich zusätzlich mit seiner "Studie" über fehlerhafte, teils gebrochene Charaktere und die Auswirkungen und Implikationen von Kolonialismus, Flucht und institutionalisiertem, sowie gesellschaftlichem Rassismus.

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