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Die Verfehlungen des Tiger King


Achtung: Es sind ein paar Spoiler im Text!

Nachdem ich für einige Zeit von Tiger King Memes überflutet wurde, wollte ich dann mal selbst sehen, warum es da so einen Hype drüber gab. Und ich muss sagen ich war enttäuscht.
Tiger King verkauft sich als Dokumentation, ist aber im Endeffekt eine Reality-Show.
Die Serie beginnt damit, dass die Macher*innen das Thema der nicht artgerechten Großkatzenhaltung in den USA untersuchen wollten. Dabei stoßen sie dann mit Joe Exotic, Carole Baskin und Doc Antle, alle drei Besitzer*innen von Großkatzenzoos, auf diese "Larger than Life" Charaktere. Und hier beginnt das Problem. Die Serie lässt sich komplett vom Charme und der Skurilität dieser Personen einfangen, das ursprüngliche Thema rutscht in den Hintergrund.
Die ersten beiden Folgen der Serie sind wirklich gut gemacht. Sie beleuchten die Probleme in der Haltung der Tiere und die zweite Folge macht einen guten Job darin, die kultartigen Strukturen aller drei Parks aufzudecken.
In der dritten Folge verliert sich die Serie dann aber. Eine ganze Stunde wird darauf verwendet, den nie bewiesenen Vorwürfen nachzugehen, dass Carole Baskin ihren Ehemann ermordet habe. (Was das mit der Haltung von Großkatzen zu tun hat, erschließt sich mir nicht). Und hier kommt der Reality TV Aspekt voll zum Tragen. Die einzige als objektiv anzusehende Person, der Polizist, der Don Lewis' Verschwinden untersuchte, bekommt nur einen Bruchteil der Redezeit, den andere offensichtlich befangene Personen bekommen. Und auch wenn es durchaus Indizien gibt, die auf Carole Baskins Verwicklung in die Sache hindeuten, werden diese von der Serie geframed als seien sie bewiesen. So wird dann schließlich Joe Exotic, der diese Indizien auch als die Wahrheit verkauft, im gewissen Sinn als für die Gerechtigkeit kämpfender "Held" dargestellt. Mind you, das ist der gleiche Mann, in dessen Park Tiere unter miserabelsten Bedingungen gehalten werden und der über viele Jahre hinweg zwei Männer, die ihn eigentlich nicht liebten mit ihrer Drogensucht an ihn band, was dazu führte, dass einer von ihnen wegrannte und der andere (unabsichtlich?) Selbstmord beging.
Und damit komme ich zum wichtigsten Punkt meiner Kritik.
Ja, die Geschehnisse sind in ihrer Absurdität unterhaltsam. Aber: Gleichzeitig geht es um Menschen, die von ihrer Selbstüberschätzung so korrumpiert sind, dass man den Eindruck hat, dass sie für Aufmerksamkeit alles tun würden. So sagt sein ehemaliger Produzent, dass es Joe Exotics größter Wunsch sei berühmt zu werden. Nach seinem geplanten Mordanschlag auf Carole Baskin und der darauffolgenden Gefängnisstrafe war er in der Bedeutungslosigkeit versunken. Jetzt wird ihm sein größter Traum doch erfüllt. Für seine zahllosen Verbrechen wird dieser Mann jetzt mit weltweitem Ruhm belohnt (es sind sogar Follow-Up Serien geplant).
Tiger King belohnt also Personen, die eigentlich Bedeutungslosigkeit verdient hätten, mit weltweitem Ruhm und verfehlt es größtenteils, wirklich auf die Probleme der Großkatzenhaltung einzugehen.

P.S. Joe Exotic hat seine schlechten Songs nicht mal selbst gesungen, sondern sie sich machen lassen und hat dann nur in den Musikvideos schlecht gelipsynct. Schwach.

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